Von Bredow-Werndl: "Hatte mit meinem Leben abgeschlossen"
Nahtoderfahrung und Gedanken ans Karriereende: Dressur-Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl hat einen Einblick in die Gründe für ihre mentale Stärke gegeben. Zwei Ereignisse hätten laut der 39-Jährigen eine besondere Rolle in ihrem Leben gespielt: "Die Begegnung mit meinem Mentalcoach Holger Fischer und einige Monate davor die Nahtoderfahrung bei meinem Badeunfall auf Sardinien", sagte sie im Interview mit Sports Illustrated.
Am 10. Oktober 2010 war von Bredow-Werndl im Urlaub von der Strömung aufs offene Meer gezogen worden, ihr heutiger Ehemann rettete sie gerade noch. "Ich hatte in jenen Minuten damals schon abgeschlossen mit meinem Leben und dachte mir: Das war’s jetzt", sagte sie. Die Situation zu überstehen sei "der größte Gamechanger" ihres Lebens gewesen.
"Ich hatte bis dahin immer viel zu viel gearbeitet, bis zur Erschöpfung – und habe nicht auf mich geachtet", sagte die Reiterin, deren großer sportlicher Erfolg erst einige Jahre nach dem Vorfall begann. Sie sammelte je zwei Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen in Tokio und Paris. Doch so weit wäre es beinahe gar nicht gekommen.
Denn vor dem Unfall wollte von Bredow-Werndl eigentlich alles hinschmeißen. "Ich hatte eine Phase von etwa sechs Jahren, in der ich extrem unerfolgreich war und keine Pferde hatte, mit denen ich an meine Erfolge aus jungen Jahren anknüpfen konnte", sagte von Bredow-Werndl. Sie und ihr Bruder Benjamin Werndl, ebenfalls Profireiter, hatten "beide kein Selbstwertgefühl mehr, haben alles infrage gestellt und erwogen, mit dem Reitsport aufzuhören", sagte sie.
Ihr hohes Ausmaß an mentalem Coaching, mit dem sie nach dem Badeunfall begann, habe ihr etwa in der Drucksituation vor dem Olympischen Finale von Paris geholfen. "Auch dank der vielen anderen Tools, die ich über die Jahre erlernt hatte, und meiner Erfahrung gelang es mir, meine Angst nicht zu leugnen und sie zu verdrängen, sondern sie anzunehmen und zu einem positiven Grundgefühl zu verarbeiten."
E.Mader--SbgTB